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Qualitätsmanagement gemäß DIN EN ISO 13485 für Medizinprodukte: Schreiben Sie noch oder leben Sie schon QM?

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22. Jun. 2022
4 minutes read

Qualitätsmanagement gemäß DIN EN ISO 13485 für Medizinprodukte:
Schreiben Sie noch oder leben Sie schon QM?

Normiertes Handeln, einem unerbittlichen Diktat des Qualitätsmanagements folgend, der Verlust jeder Handlungsfreiheit: bei manchen Menschen im Medizinprodukte-Umfeld ist das die eine und eher gruselige Vorstellung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) nach DIN EN ISO 13485. Normen scheinen starr, diktieren, bremsen Spontanität aus und stellen jeder Kreativität die eng­maschige Dokumentation, Kontrolle, Nachverfolgbarkeit entgegen. Jedes Jahr muss dazu für ein Audit alles hübsch hergerichtet werden und bindet damit Kapazitäten, die man lieber wirtschaft­lich produktiv wirken sähe. Es scheint häufig nur QM-Mitarbeitende und Auditierende glücklich zu machen, dass alles richtig dokumentiert und hübsch in SOPs beschrieben ist und im Audit glänzt.

Zugegeben:
In meinen ersten Berufsjahren war ich genervt vom SOP-Lesen und von den vorge­schriebenen Prozessen unserer QM. Doch als ich erstmals an einem potenziellen Rückruf mitar­beiten musste, habe ich erkannt, wie hilfreich genau diese Prozesse waren, die uns nun möglich machten, in Windeseile Daten aufzufinden und am Ende eine Entwarnung geben zu können. Seither schlägt mein Herz für QM! Aber nicht für die übergestülpte und tatsächlich oft einengende und ausbremsende Variante, sondern für eine, die im Rahmen der gesetzlichen und normativen Vorgaben kreativ ein lebendiges und zugleich klar dokumentiertes Arbeitsleben unterstützt und fördert. Denn die 13485 abzuschreiben und, wo gefordert, eine SOP zu unterlegen, die einfach deren Kapitelinhalte abkupfert, ist einfach. Aber das ist kein QM! Das ist ein lähmender Zustand.

Die DIN EN ISO 13485 gibt dezidierte Vorgaben, welche Verfahren ein Unternehmen für die Mitar­beitenden beschreiben muss und welche Aufgaben durch Aufzeichnungen, Nachweisdokumente und Berichte schriftlich zu belegen sind. Die genaue Umsetzung, Inhalte und Abläufe liegen in der Hand des Unternehmens. Und da unterscheiden sich gute QM-Systeme und „tote Pferde“ enorm.

Werfen wir ein Blick in die Norm: Das Dokument kommt daher mit

  • 3 Vorworten,
  • 1 Einleitung,
  • 8 Kapiteln und
  • 5 Anhängen.

Die ersten drei Abschnitte und Kapitel beschäftigen sich mit Historie, Abgrenzungen, Gültigkeit, Anwendungsbereich, normativen Verweisen und Begriffen. Klingt erstmal, als könne man das überspringen.

Aber Vorsicht:
In diesen Abschnitten und Kapiteln verbergen sich wichtige Informationen und Definitionen, deren Kenntnis für die Umsetzung der später genannten Anforderungen wichtig ist!
So erfährt man hier, dass alle Normenverweise in der DIN EN ISO 13485 bedeuten, dass auch die jeweils genannten Normen für das QMS für Medizinprodukte gültig sind und daher mit in Betracht gezogen werden müssen. Hier ist festgelegt, dass Organisationen ihre Rollen und deren regulatorischen Grundlagen zu identifizieren und danach auszurichten haben. Und hier wird klar ausgedrückt, dass QMS nicht alle gleich sein müssen, sich nicht mal an der Struktur der Norm orientieren müssen. Das verbalisieren manche Auditierende gerne ganz anders! Für ein Audit ist die Anpassung an Struktur und Wording der Norm natürlich angenehm, aber damit lässt sich eben nicht immer eine gewachsene und lebendige Firmenstruktur erfassen.

Es wird spannend:
Ab Kapitel 4 definiert jeder Abschnitt in Bezug auf Vorgaben, Nachweise und Aufzeichnungen genau ob und in welcher Form das jeweilige Thema mit Verfahrensvorgaben, Aufzeichnungen und Nachweisen zu belegen ist, und wo Pläne und Berichte erwartet werden.
Schon die Liste der verpflichtenden Verfahrensanweisungen ist lang, da die Abläufe aller qualitätsrelevanten Bereiche (beginnend mit der obersten Leitung, ihrer Qualitätspolitik und -ziele samt deren Bewertung, über das Ressourcenmanagement inklusive der Qualifizierung des Personals und die Steuerung, Herstellung und Kontrolle der Produktion bis zum Lieferanten- und Kundenmanagement sowie den Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen) beschrieben werden müssen. Eine Aufzählung der darüber hinaus geforderten Aufzeichnungen, Nachweisdokumente, Pläne und Berichte würde den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Nach intensivem Studium der Norm erscheint es dem Leser doch oft so, als handele es sich am Ende nur um einen wahren, kaum beherrschbaren Dokumentendschungel.

Braucht ein Unternehmen das?
Nein. Einen Dokumentendschungel braucht niemand. Aber ein gutes QMS auf jeden Fall. Denn ein QMS ist kein (digitaler) Papiertiger, sondern eine Unternehmensstrategie. Die Norm bietet die Struktur dafür, das Unternehmen füllt sie mit seinem ganz eigenen Leben.
Beim Lesen verliert man leicht aus dem Sinn, dass diese Anforderungen geballtes Erfahrungswissen zusammenfassen: Erfahrungen darüber, was alles passieren kann und welche inakzeptablen Fehler mangels guter Dokumentation zu Ungunsten von Patientinnen und Patienten bereits geschehen sind.

Es ist gerade für die treibenden Kräfte und die Kreativen eines Unternehmens oft eine Heraus­forderung, sich an formale Vorgänge zu halten, wie ein QMS es von ihnen erwartet. Aber: Ein gut gemachtes QMS gibt auch diesen Personen ausreichend Gestaltungsspielraum. Und nicht zuletzt kann ein gut aufgesetztes Änderungskontrollverfahren auch ungefährliche QMS-Ausreißer locker wieder einfangen. Es hängt eben davon ab, wie ich QMS verstehe und implementiere.

Verursacht ein QMS nicht viel zu viel unproduktive Arbeit?
Kommt darauf an! Man kann einfach „drauflosstricken“, eine QM-verantwortliche Person fest­legen und sie -frei nach Potemkin- ein paar blutleere Dokumente mit dem normativen Wording aufsetzen lassen. Ein deprimierendes Unterfangen, dem am Ende niemand etwas abgewinnen kann! Und infolgedessen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch hochgradig ineffizient.

Zur Erinnerung: Ein QMS ist als Unternehmensstrategie definiert! Und strategisches Vorgehen läuft anders.

Als Strategie begriffen, wird die Unternehmensleitung zuerst überlegen, welche Rollen sie in der Medizinprodukte-Welt übernimmt und welche Qualitätspolitik sie verfolgen will. Auf dieser Basis kann sie nun ggf. schon einen Teil der Norm als nicht relevant einstufen: ein Distributionsunter­nehmen braucht sich nicht mit Prozessvalidierungen herumzuschlagen, ein Pflaster-Hersteller nicht mit Dienstleistungen.
Sind Rollen und Politik definiert, ist der zweite sinnvolle Schritt die Analyse der Unternehmens­prozesse: wo decken sich Abläufe bereits mit regulatorischen Anforderungen an ein QMS, wo fehlt tatsächlich etwas? Diese GAP-Analyse wirkt oft beruhigend, weil man feststellen wird, dass die normativen Anforderungen und bestehende, auf Vernunft basierende Prozesse oft deckungs­gleich sind. Und sie spart später enorm Kapazitäten. Denn jetzt kann man Prozesse, die schon beschrieben sind, erstmal „in Ruhe“ lassen und sich auf das konzentrieren, was fehlt. Effizient wird es, wenn die QM nun genau das Personal zur Beschreibung von Abläufen und Erstellung von Aufzeichnungsvorlagen hinzuziehen darf, das sich mit dem jeweiligen Thema am besten auskennt und später mit den jeweiligen Unterlagen arbeiten muss. Mit Prozessbeschreibungen, die eine Person selbst mitformuliert hat, kommt Leben ins System. Sie kommt hiermit nicht nur  besser zurecht als mit artifiziellen Beschreibungen, die jemand anderes diktiert. Diese Herangehensweise wird alle Beteiligten zum Mit- und Weiterdenken anregen und bringt oft überraschende Verbesserungen mit sich. Ist der Grundstein für das QMS so gelegt, werden später sinnvolle Anpassungen fast von selbst eingebracht.

Kann man nicht ein anderes QMS wählen, die Norm wird doch in keinem Gesetz explizit erwähnt?
Nein. Sowohl die 93/42/EWG (MDD) als auch die (EU)2017/745 (MDR) fordern, dass Hersteller und Inverkehrbringer über ein geeignetes QMS verfügen (die MDR schließt unter bestimmten Vor­aussetzungen auch Händler und Importeure mit ein). In der MDR werden die Anforderungen an ein QMS in Artikel 10 und im Anhang IX formuliert und erinnern woran?

Genau: An die Inhalte der Norm.

Es stimmt, dass die Norm 13485 nicht namentlich zitiert wird. Und die Norm mit Stand 2016 beinhaltet bisher nur Bezugnahmen auf die MDD. Aber sie ist ein Dokument, das den aktuellen Stand der Technik für Europa in Bezug auf ein QMS für Medizinprodukte beschreibt. Und als solche lässt sich die Norm implizit absolut für den EU-Raum als regulatorisch relevant einstufen.

Sollten Sie mit Ihrem QMS hadern oder schlicht eine qualifizierte Unterstützung für eine effiziente Einführung oder Auffrischung suchen, fragen Sie uns: das Team aus langjährig erfahrenen MedTech-Expertinnen der TentaConsult Pharma & Med unterstützt Sie gerne!

 

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