Von Partikeln und neuen Anforderungen: Die Bedeutung des GMP Annex 1 für sterile Primärpackmittel!
Mit dem Stichtag 25. August 2023 trat der revidierte GMP Annex 1 in Kraft, welcher die regulatorischen Anforderungen an pharmazeutische Unternehmen und deren Zulieferer, insbesondere im Bereich der Herstellung steriler Primärverpackungen, signifikant erhöht. Dies überarbeitete Richtlinie fokussiert verstärkt auf Sicherheits- und Qualitätskontrollen und fordert die Implementierung sowie die fortlaufende Anpassung umfassender Strategien zur Kontaminationskontrolle. Ziel ist es, Risiken von mikrobiellen und partikulären Kontaminationen so weit, wie möglich zu reduzieren. Der vorliegende Beitrag erörtert die Kernaspekte dieser Änderungen und deren unmittelbare Auswirkungen auf die Fertigungsprozesse steriler Primärverpackungen. Darüber hinaus werden praxisorientierte, strategische Ansätze vorgestellt, um den neuen, gesteigerten Standards gerecht zu werden.
Sterile Primärpackmittel spielen eine entscheidende Rolle für die Sicherheit von Arzneimitteln. Diese spezialisierten Verpackungslösungen kommen direkt mit den Arzneimitteln in Berührung und durchlaufen bereits im Zuge ihrer Herstellung rigorose Sterilisationsprozesse. Ihre primäre Aufgabe ist es, die Medikamente während der Lagerung und bis zum Moment der Verabreichung vor Kontamination zu schützen. Dies ist insbesondere bei parenteralen Arzneimitteln und ophthalmologischen Produkten von entscheidender Bedeutung, da diese direkt in den menschlichen Körper eingeführt werden und daher steril sein müssen.
Sterile Primärpackmittel lassen sich grundsätzlich in zwei Hauptkategorien einteilen:
- Schutzorientierte Primärpackmittel: Diese sind ausschließlich darauf ausgelegt, das Arzneimittel vor äußeren Einflüssen zu schützen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Vials, die keine direkte Verabreichungsfunktion besitzen, aber den Inhalt sicher und steril bewahren.
- Verabreichungsorientierte Primärpackmittel: Diese erfüllen nicht nur die Schutzfunktion, sondern sind auch aktiv an der Applikation des Medikaments beteiligt. Typische Beispiele hierfür sind Spritzen und andere Applikatoren, die sowohl die Sicherheit des Medikaments gewährleisten als auch seine Verabreichung ermöglichen.
Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten ist nicht nur für die Anwendung, sondern auch für die regulatorischen Anforderungen von immenser Bedeutung.Während schutzorientierte Primärpackmittel hauptsächlich den Richtlinien der Guten Herstellungspraxis (kurz, GMP) folgen müssen, unterliegen verabreichungsorientierte Packmittel zusätzlichen strengen Kriterien der europäischen Medizinprodukte-Verordnung (EU) 2017/745 (MDR).
Sicherheit von Anfang an: Neue Anforderungen an sterile Verpackungen!
Im Rahmen der guten Herstellungspraxis nimmt der GMP Annex 1 „Manufacture of Sterile Medicinal Products“ eine besondere Stellung ein. Dieses verbindliche Dokument legt detailliert fest, welche spezifischen Anforderungen pharmazeutische Unternehmen bei der Produktion steriler Arzneimittel beachten müssen.
Die Bandbreite dieser Anforderungen erstreckt sich von der Gewährleistung adäquater personeller Ressourcen über die Durchführung umfassender Qualitätskontrollen bis hin zur Einhaltung der Standards bei der aseptischen Abfüllung.
Mit der Aktualisierung vom 22. August 2022 wurden die Anforderungen des Annex 1 „Manufacture of Sterile Medicinal Products“ erheblich verschärft. Diese Revision zielt darauf ab, die Standards für die Sterilabfüllung von Arzneimitteln weiter zu erhöhen.
Folglich sind pharmazeutische Unternehmen nun verpflichtet, diese erhöhten Anforderungen zu erfüllen und sie entsprechend an ihre Zulieferer von Primärpackmitteln weiterzugeben. Für die Hersteller dieser Verpackungsmaterialien resultieren daraus besonders strenge Anforderungen an die Reinheit ihrer Produkte. Dies schließt insbesondere die Kontrolle und Minimierung von Bioburden, Endotoxinen, Partikelkontamination -einschließlich pyrogener Stoffe nicht-biologischer Herkunft- sowie von extrahierbaren und auslaugbaren Stoffen (Extractables und Leachables) mit ein.
Von Bioburden bis Leachables: Schlüsselfaktoren für reine Medikamente!
Im Folgenden widmen wir uns einer detaillierten Analyse der vier zentralen Elemente, die für die Reinheit von Medikamenten entscheidend sind: von der mikrobiologischen Belastung, bekannt als Bioburden, über Endotoxine und Partikelkontamination bis hin zu extrahierbaren und auslaugbaren Stoffen, den sogenannten Extractables und Leachables.
Bioburden- mikrobiologische Kontamination: Im Kontext der Herstellung steriler Arzneimittel stellt die mikrobiologische Belastung, auch Bioburden genannt, eine entscheidende Größe dar. Insbesondere bei Produkten, die, wie zum Beispiel intravenöse Medikamente, direkt in den Blutkreislauf gelangen, sind die Anforderungen an die mikrobiologische Reinheit besonders hoch. Sterilität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins lebensfähiger Mikroorganismen nach einer Sterilisation bei höchstens 1 zu einer Million (10^-6) liegt. Die Erreichung der Sterilität basiert primär auf zwei Säulen:
- Die sorgfältige Kontrolle und fortlaufende Überwachung der Hygienebedingungen während des gesamten Fertigungsprozesses.
- Die Anwendung eines wissenschaftlich validierten Sterilisationsverfahrens.
Endotoxine: Was die Endotoxine betrifft, so birgt der Sterilisationsprozess selbst gewisse Risiken. Endotoxine, die Zerfallsprodukte von Bakterien darstellen, können im Falle ihres Verbleibs im Arzneimittel zu ernsthaften gesundheitlichen Komplikationen führen. Um dieses Risiko zu minimieren, ist es essenziell, dass sowohl die Phasen der Validierung des Sterilisationsverfahrens als auch der Freigabeprozess der einzelnen Chargen spezifische Prüfungen auf Endotoxine umfassen. Diese Untersuchungen dienen dazu, die Anwesenheit dieser toxischen Substanzen effektiv zu erkennen und zu quantifizieren, um eine sichere Anwendung des Arzneimittels zu gewährleisten.
Extractables und Leachables: Im Anschluss an die Betrachtung der Endotoxine, ist es ebenso wichtig, die potenzielle Gefahr durch Extractables und Leachables zu beachten. Leachables sind Substanzen, die unter normalen Anwendungsbedingungen von den Primärpackmitteln in das Arzneimittel übergehen können. Extractables sind hingegen Stoffe, die unter extremen Bedingungen, wie beispielsweise hohen Temperaturen, aus den Verpackungsmaterialien herausgelöst werden können. Eine sorgfältige Auswahl der Materialien und deren umfangreiche Analyse sind im Rahmen des Risikomanagementprozesses wesentlich, um die Freisetzung dieser Stoffe zu verhindern.
Partikelkontamination: Eine weitere zentrale Anforderung und signifikante Herausforderungen an sterile Arzneimittel stellt die Kontrolle über die Partikelkontamination, insbesondere von nicht-biologischen Pyrogenen, dar, die direkt von den Fertigungsprozessen abhängt. Es ist von entscheidender Bedeutung:
- die potenziellen Risiken und Ursachen für Partikelkontamination in jedem Produktionsschritt und unter den jeweiligen Umgebungsbedingungen zu identifizieren,
- die Fertigungsprozesse zu validieren,
- unter kontrollierten Bedingungen zu produzieren,
- die Reinigung von Reinräumen und gegebenenfalls Produkten auf einer risikobasierten Grundlage zu planen, durchzuführen und zu validieren.
Schließlich sollte eine umfassende Qualitätskontrolle, die die Überprüfung und Bestätigung der Einhaltung der festgelegten Grenzwerte für Partikel beinhaltet, ein integraler Bestandteil des Prozesses der Chargenfreigabe sein.
Umfassende Übersicht der implementierten Kontrollstrategien als neuer Standard!
Eine der wesentlichen neuen Anforderungen des GMP Annex 1 ist die Implementierung einer effektiven Kontaminationskontrollstrategie. Hierbei handelt es sich um einen risikobasierten Ansatz, mit dessen Unterstützung sämtliche relevanten Prozesse zu gestalten sind (Contamination Control Strategy - CCS). Risikobasiert bedeutet, alle Prozesse, Mitarbeitende, Materialien, Utensilien und Umweltbedingungen, die einen Einfluss auf die Produktqualität, insbesondere in Bezug auf die oben genannten Kontaminationsarten, haben zu betrachten, um
- Risiken für die Sicherheit und Qualität zu systematisch identifizieren
- Die identifizierten Risiken zu bewerten und
- Geeignete risikomindernde Maßnahmen abzuleiten, zu implementieren und zu überwachen. Jede Maßnahme, die getroffen wird, (beispielsweise eine spezifische Kontrolle) hat das Ziel ein bestehendes oder potenzielles[AH1] Risiko zu mindern.
Der CCS ist somit das federführende Dokument, zur Planung, Implementierung und zum Nachweis einer adäquaten Kontaminationskontrolle, die fortwährend weiterentwickelt wird und alle Gegebenheiten zu einem roten Faden zusammenfasst. Arzneimittelhersteller müssen ganz klar hier die eigenen Strategien und Kontrollen für eingesetzte Primärpackmittel benennen und berücksichtigen.
Gemeinsam stark: TentaConsult unterstützt Ihre Qualitätsziele!
Die Anpassung an die überarbeiteten Vorgaben des GMP Annex 1 für Hersteller steriler schutzorientierter Primärpackmittel ist wegweisend, denn die neuen Anforderungen werden immer öfter über die pharmazeutischen Kunden an Primärpackmittelhersteller herangetragen.
TentaConsult Pharma & Med GmbH steht an Ihrer Seite, um spezifische Herausforderungen in der pharmazeutischen Industrie, der Medizintechnik und den Packmittelsektoren anzugehen. Wir bieten maßgeschneiderte Unterstützung bei der Entwicklung Ihrer Kontaminationskontrollstrategie und der Umsetzung der neuen Anforderungen des Annex 1 zum EU GMP-Leitfaden. Unser Expertenteam aus den Bereichen Medizinprodukte und Sterilherstellung steht bereit, um Sie bei allen Fragen zu unterstützen.
Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf, um Ihre Prozesse zu optimieren und den neuen regulatorischen Anforderungen einen Schritt voraus zu sein.