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Risikomanagement live: Europäische Behörden und ihr Umgang mit Covid-Antigen-Schnelltest

7. Feb. 2022

Risikomanagement ist zunächst eine zentrale Aufgabe der Medizinprodukte-Hersteller. Zugleich ist es eine, mit dem viele noch fremdeln. Das Potential dieses mächtigen Werkzeugs wird oft verkannt. Denn das Herzstück des Risikomanagements, die Risikoanalyse mit ihren irritierenden Begrifflichkeiten, ist manchem ein Buch mit sieben Siegeln.

Nun hat die Pandemie in diesem Fall etwas Gutes: Man kann Risikomanagement in voller Aktion erleben!

Das lässt sich wunderbar am Beispiel der Corona-Antigen-Schnelltests zeigen, deren Zuverlässigkeit Anfang 2022 in den Medien Anlass zur Sorge gaben. Man war auf Laboruntersuchungen aufmerksam geworden, die für einige Corona-Schnelltests ein mangelhaftes Zeugnis ausstellten! Zweifel an der Kompetenz der zuständigen Behörden wurden geäußert. Außerhalb der medialen Spotlights, in Kenntnis des Medizinprodukte-Ökosystems und der vor 2020 oft recht behäbig wirkenden EU-Administra­tion, ergibt sich allerdings ein anderes Bild der europäischen Behörden: Nämlich das einer durchaus gelungenen Mischung aus risikobasiertem Handeln und beständiger Adaption an den wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs. Mit anderen Worten: Aktives Risikomanagement.

Die Ausgangssituation

Anfang 2021 wurden zunächst alle Tests, die ein halbwegs belastbares Ergebnis inmitten des Corona-Hochs versprachen, zur Vermarktung zugelassen. Dazu mussten sie grundlegende Vorgaben erfüllen und einige In vitro-Prüfungen bestehen. Natürlich fanden sich darunter auch schwarze Schafe, die sich den einfachen Marktzugang zu Nutze machten.

Risikoanalyse und Risikobewertung

Die Behörden waren sich der Gefahr dysfunktionaler Schnelltests („Leistungsbezogene Gefährdung“) bewusst. Bei der Abwägung von Nutzen und Risiko schlug das Pendel zu dieser Zeit aber eindeutig zum gesellschaftlichen Nutzen aus: Bei hohen Coronazahlen und Mangel an Impfstoff („Ereignisse und Umstände“) war ein gewisser Prozentsatz von Fehlergebnissen („Gefährdungssituation“) eher zu akzeptieren als gar keine Tests wegen zu hoher Registrierungshürden. Dadurch konnten Corona-Fälle unerkannt bleiben („Potenzieller Schaden A“) oder falschpositive Ergebnisse zu ungerechtfertigter Quarantänisierung führen („Potentieller Schaden B“), beides aber in erwartbar geringem Maße („Wahrscheinlichkeit“). Insgesamt arbeiteten die meisten Tests korrekt. Um Schäden und Auftretenswahrscheinlichkeit durch Fehldiagnosen zu verringern („vernünftigerweise praktikable Risikominimierung“), wurde zeitgleich begonnen, die Tests auf ihre Fähigkeit zu prüfen („risikosenkende Maßnahme“), das Corona-Virus nachweislich zuverlässig und korrekt zu erkennen („Verifizierung der Maßnahme“). Die Elimination schwarzer Schafe begann also unmittelbar.

Besondere Herausforderungen

Die Gesetzgebung für In vitro-Diagnostika, zu denen die Corona-Tests zählen, steckt aktuell mitten im Umbruch: 2017 ist die Verordnung (EU) 2017/746 in Kraft getreten, deren unmittelbare Gültigkeit für Frühjahr 2022 vorgesehen war. Damit verbunden sind massive Umstellungen für die Hersteller und zusätzliche Arbeit für die Behörden. 2021 musste eigentlich noch sehr viel vorbereitende Arbeit seitens der EU-Institutionen erledigt werden, während die Delta-Variante die Fallzahlen wieder nach oben trieb. Personelle Engpässe waren vorprogrammiert, hocheffizientes Arbeiten ein Muss.

Neubewertung und Adaption

Im Mai 2021 wurden, parallel zur erkennbaren gesellschaftlichen Risikominderung durch geringere Corona-Zahlen und steigender Impfquote („Neubewertung der Ereignisse und Umstände“), die bisher in Kauf genommenen Fehlerquoten behördenseits als nicht mehr akzeptabel eingestuft („Neubewertung der Gefährdungssituation“). Strengere Spezifikationen wurden diskutiert, die Corona-Tests nun erfüllen mussten. Deutlich zu erkennen war hierbei, dass man sich entschieden hatte, gleich der neuen Gesetzgebung zu entsprechen. Im August wurden EU- Leitlinien für die klinische Prüfung von Corona-Tests verabschiedet, die im Herbst durch weitere Publikationen noch exakter definiert wurden („Anpassung der Maßnahmen“). Relevant wird u.a. die Fähigkeit eines Tests, bereits bei sehr geringer Viruslast anzuschlagen. So werden ansteckende Personen schon frühzeitig, vor der symptomatischen Ausprägung der Krankheit, identifizierbar.

Seit Mitte 2021 werden die Empfehlungslisten mindestens einmal monatlich um unbrauchbare Produkte ausgedünnt („Erneute Verifizierung“). Bewährte Tests, die ein Mindestmaß an Nachweisen vorlegen können, dürfen in den Empfehlungslisten bleiben. Dafür müssen aber den Regularien entsprechende klinische Daten innerhalb bestimmter Fristen nachgeliefert werden. Neue Tests müssen die höheren Hürden nehmen, bevor sie eine Empfehlung erhalten. Bei der Abwägung von Nutzen und Risiko haben die Aspekte Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Produkte, zwei Grundpfeiler des Medizinprodukterechts, wieder ihren angestammten Platz eingenommen.

Das Ergebnis

Aus medialer Minimalinformation resultierende schnelle Urteile werden der anspruchsvollen Arbeit zahlreicher engagierter Fachleute nicht gerecht. Die europäischen Behörden zeigen, wie dem hochkomplexen Thema der Pandemiebekämpfung innerhalb Europas durch aktives, adaptives Risikomanagement und die effiziente Anwendung des Medizinprodukterechts zielführend begegnet werden kann.

Sollte Risikomanagement für den einen oder die andere nun an Attraktivität gewonnen haben, aber weiterhin Fragen dazu offen sein, steht Ihnen die TentaConsult Pharma & Med GmbH gerne beratend zur Seite!

Ihre Ansprechpartnerin:

Frauke Stamm
Senior Consultant

+49 251 928715-67

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